Gegen die neue Geschwätzigkeit

Das Internet hat geschafft, was Generationen von Pädagogen misslungen ist: Mehr Menschen als je zuvor fühlen sich berufen, Texte zu schreiben. Doch nie zuvor löste das Publizierte so wenig aus.

«Mache Dir einen Namen», empfehlen Kommunikationsberater. Das sei einfach möglich. Man brauche bloss soziale Netzwerke wie Linkedin, Xing und Facebook zu nutzen und einen Blog über sein Fachgebiet zu führen.

Ära der Selbstdarsteller

Diesem Credo folgen mehr Leute, als es noch vor 20 Jahren denkbar gewesen wäre. So viele wie nie zuvor tun ihre Meinung schriftlich kund. Und immer mehr werden von diesem Sendungsbewusstsein erfasst. Statt ihre Gedanken ins Tagebuch zu kritzeln, stellen sie die Banalitäten des Alltags gleich ins Internet.

Anders als im Zeitalter der Druckerpresse müssen Texte nicht zuerst vorbei an kritischen Redaktoren, Lektoren und Korrektoren, bevor sie ans Publikum dürfen. Es genügt ein Klick – und die Botschaft erreicht theoretisch die grosse weite Welt. In der Praxis kommt es allerdings sehr selten dazu.

Versteckmedium Internet

Gewiss, einzelne originelle Geister haben es geschafft, sich als Blogger und Youtuber zu etablieren. Die meisten Beiträge werden aber kaum je beachtet – geschweige denn gelesen. Niemand weiss das besser als der Google-Konzern.

Eine neue Geschwätzigkeit hat sich breitgemacht, die schlichtweg langweilt. Der Grund: Die Hauptbotschaften der Blogger und Social-Media-Texter drehen sich meist um sie selbst. Und das ist oft belanglos.

Raus aus der Belanglosigkeitsfalle

Es gibt einen Weg aus der Belanglosigkeitsfalle, aber er ist alles andere als bequem: Es gilt, um jedes Wort zu ringen. So wie einst, als Papier noch sehr teuer war. Damals quälten sich Schreibende, bevor sie zur Feder griffen:

  • Was ist die Essenz meiner Botschaft?
  • Wen will ich damit erreichen?
  • Worauf kann ich verzichten?

Einen Gedanken im Text zu streichen, kann schmerzhaft sein. Doch das Publikum wird’s einem danken. Einer müsse sich plagen, entweder der Schreibende oder der Lesende, scherzte Sprachpapst Wolf Schneider oft.

Mittlerweile ist nichts wertvoller als die Aufmerksamkeit des potenziellen Publikums. Und vielleicht kommt einen nichts teurer, als ein falsches Wort im Web. Denn jedes Wort, das einmal digital gesprochen ist, lässt sich nur schwer rückgängig machen.

Darum lohnt es sich, Zeit und allenfalls Geld, in die Kommunikation zu investieren. Manchmal braucht es auch den Mut, eine Marke in der realen Welt zu bleiben, statt sich einen zweifelhaften Namen in der virtuellen Welt zu erwerben.

Und was meinst du?

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1 Kommentar
  • Siamak
    22. Dezember 2017

    Herzlichen Dank für für diese Worte des capital-knowledge!
    Bitte lasse mich nur sagen, dass Du bist einfach zu gut !