Content-Marketing-Mythen

Das einzige Neue am Content Marketing ist manchmal, dass sich Fachleute von Nerds einen Bären aufbinden lassen – und den virtuellen Bären erst noch vergolden. Drei Mantras, die Sie hinterfragen sollten.

Nur den wenigsten Goldschürfern gelang es, beim Goldwaschen am Klondike River in Alaska ein Vermögen anzuhäufen – die meisten holten sich dabei nur eiskalte Hände. Eine goldene Nase verdienten sich dagegen die Schaufel- und Whiskyverkäufer.

Der postmoderne Goldrausch ist im Silicon Valley ausgebrochen. Er erfasst immer mehr Lebensbereiche und verspricht allerseits Gewinne. Doch reich werden auch dieses Mal nicht die Suchenden, sondern die Verkäufer der digitalen Instrumente und Konzepte. So kontrollieren beispielsweise Apple, Facebook und Amazon, kurz GAFA genannt, einen Grossteil dessen, was weltweit digital konsumiert wird. Tendenz steigend.

Wenn diese GAFA hüsteln, hängt die halbe Wirtschaftswelt, im Speziellen die Marketingwelt, an ihren Lippen. Das führt manchmal dazu, dass Digitalisierungsenthusiasten gestandenen Fachleuten erklären, wie Kunden zu ticken haben. Mit Folgen fürs Portemonnaie der Goldsuchenden.

Betrachten wir kurz drei verbreitete Mythen, aufgrund derer im Content Marketing viel Geld ans falsche Ort fliesst.

1. Digital ist günstig.

Wenn Sparen angesagt ist, setzen viele Firmen den Rotstift zuerst beim Marketing an – und dort wiederum bei Printmassnahmen. Das basiert auf einer simplen Überlegung: Druck- und Versand gehen ins Geld. Parallel dazu vergrössern viele Konzerne ihre Budgets fürs Online-Marketing. Laut der CMF Basisstudie 2016 für den deutschsprachigen Markt geben die meisten Firmen heute mehr fürs digitale Content Marketing aus als für Printmassnahmen.

Während sie die Wirkung ihrer Printmassnahmen peinlichst genau überprüfen, lassen sie ihre Online-Aktivitäten meist unerforscht – obwohl die Messbarkeit hier am «einfachsten» wäre. In Zahlen: Nur 43 Prozent der Unternehmen messen den Erfolgs ihres Content Marketings. Im Printbereich nehmen sie die Wirkung in 51 Prozent der Fälle unter die Lupe, bei digitalen Kanälen nur zu 39 Prozent.

Vielleicht schaut man auch absichtlich nicht genau hin: Vergleicht man die Kosten pro effektivem Kundenkontakt, schlägt der klassische Printkanal nämlich die Onlinedistribution oft.

2. Videos sind immer besser als Text.

Wer je unterrichtet hat, weiss um die Wirksamkeit des bewegten Bildes. Kein Mittel ist so effizient, um Ruhe in ein Schulzimmer zu bringen, wie das Abspielen eines Films. Mit einer harmonischen Mischung aus Ton und Bild lassen sich Menschen zu Tränen rühren. Und das für immer weniger Geld: Die Kosten für die Videoproduktion haben sich in den letzten Jahren auf einen Bruchteil reduziert.

Google und diverse Social Media-Kanäle präferieren ganz klar diese Art von Content. Mit einem Video punkten Sie bei Google in den Suchergebnissen besser als mit einer Text-Bild-Kombination.

Trotzdem gibt Google unumwunden zu: 80 Prozent der Videos der Top 100 Konzerne verschwinden auf Youtube beinahe ungesehen irgendwo auf dem weltweiten Netz. Die Hemmschwelle, ein Video auf Blogs abspielen zu lassen, ist  höher als jene, eine Text-Bild-Kombination anzuschauen. Wer statt eines Textes ein Video zeigt, muss damit rechnen, einen  Teil seines Zielpublikums zu verlieren. Rainer Wälde,  prämierter Fernsehjournalist und Medienunternehmer, hat eine Umfrage unter seinen Bloglesern lanciert: Nur 27 Prozent davon bevorzugen Videos gegenüber Text.

Einen Text können Vielbeschäftigte so rasch überfliegen wie sie wollen. Das Video müssen sie im Schneckentempo ablaufen lassen. Viele Leute tun sich schwer damit, den Play-Button eines Videos zu betätigen. Manche Video-Formate starten darum sogar schon automatisch.

Das bewegte Bild hat viele Vorzüge. Diese kommen aber erst zur Geltung, wenn auch die Geschichte dahinter bewegt. Erachten Sie Videos als attraktives stilistisches Mittel. Aber verzichten Sie gerade im Business-Umfeld nicht auf Text und Bild, wenn Sie die grosse Masse erreichen wollen.

3. Welt wartet auf Content.

Rund um die Welt stellten Unternehmen in den letzten Jahren unzählige Gigabytes an Content ins Web. Content, der kaum jemanden interessiert, ausser den Produzenten selbst. Man spricht von Qualität, setzt aber auf Quantität. In Marketing-Kreisen macht schon das Schreckgespenst eines «Content Clash» respektive «Content Shock» die Runde.

Dennoch gelingt es immer wieder einigen Journalisten, Bloggern und Youtubern, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – erstaunlicherweise aber eher selten Grosskonzernen. In der Social-Media-Szene gilt oft: David schlägt Goliath.

Wer es ernst meint mit Content Marketing, muss paradoxerweise bereit sein, diesen Bereich nicht nur Schönfärbern und IT-Freaks zu überlassen, sondern ihn Journalisten, Bloggern und Youtubern anzuvertrauen. Mit allen Chancen und Risiken. Es braucht kritische Geister, die nicht in Bits und Bytes und Power Points denken, sondern tagtäglich neugierig das Weltgeschehen analysieren – auf der Suche nach relevanten Geschichten.

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